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Wie ein kleiner Reiseblog Topical Authority aufbaute (Case Study)

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Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 4. Dezember 2023 in Englisch auf dem MOZ Blog veröffentlicht: https://moz.com/blog/topical-authority-case-study

Wenn ich heute zurückblicke, war der erste COVID-19-Lockdown wahrscheinlich nicht der beste Zeitpunkt, um einen Reiseblog zu starten. Es war definitiv keine gute Zeit fürs Reisen – oder für die gesamte Reisebranche.

Aus SEO-Sicht war es sogar richtig mies: Die Suchanfragen rund ums Reisen sind komplett eingebrochen. Niemand hat an Fernweh gedacht – alle waren damit beschäftigt, zu Hause klarzukommen.

Dabei wollte ich eigentlich schon seit 2015, als ich zum ersten Mal länger unterwegs war, einen eigenen Reiseblog starten. Aber wie das halt so ist – ich hab’s nie wirklich durchgezogen. Und dann kam dieser Lockdown. Plötzlich war da Zeit. Viel Zeit.

Also hab ich angefangen zu schreiben. Auch wenn’s paradox klingt, übers Reisen zu schreiben, wenn man nicht mal vor die Tür darf – meine Reisen waren voll mit Momenten und Geschichten, die ich noch mal aufleben lassen konnte. Dafür musste ich nicht mal die Wohnung verlassen.

Und dann war da noch ein anderer Effekt: Viele andere Reiseblogger haben in der Zeit die Prioritäten verschoben – Familie, anderes Leben. Die Konkurrenz wurde kleiner – und irgendwie hatte ich das Gefühl, Google hatte richtig Lust auf frischen Content.

Eine SEO-Strategie ohne Keyword-Recherche

Ich geb’s zu: Ich hab nicht mit einer Keyword-Recherche gestartet. Erstens, weil ich einfach über meine Reisen geschrieben hab – SEO war da nicht wirklich in meinem Kopf. Und zweitens, weil ich damals noch keine SEO-Expertin war. Ich war Bauingenieurin und gerade erst dabei, die Branche kennenzulernen.

Nach einem Jahr Bloggen mit sehr wenig Traffic hab ich dann doch beschlossen, endlich mal eine Keyword-Recherche zu machen – was ich wahrscheinlich von Anfang an hätte tun sollen.

Aber das war gar nicht so einfach. Wegen COVID-19 hat einfach niemand nach Reisethemen gesucht. In den SEO-Tools war das Suchvolumen bei den meisten Keywords bei null. Viele Begriffe waren gar nicht gelistet – mit einer Ausnahme: „Reisebeschränkungen in XYZ“.

Und genau da musste ich umdenken. Als SEO-Managerin fragt man sich: Kann ich mich auf diese Daten überhaupt verlassen? Sind das wirklich die Keywords, nach denen später mal wieder gesucht wird? Weil – klar war: Die Zeit fürs Reisen würde wieder kommen.

Also hab ich die Keyworddaten genutzt, um Ideen für Inhalte zu entwickeln – aber nicht, um mich komplett auf exakte Begriffe oder deren Suchvolumen zu versteifen.

So bin ich auf das Thema Interrail gestossen. Eines meiner ersten grossen Reiseabenteuer war eine Interrail-Tour durch Europa – also hat das perfekt zu mir gepasst. Und ich konnte mich noch sehr gut an all die Dinge erinnern, die damals schiefgelaufen sind.

Interrail bedeutet: Mit einem einzigen Zugticket durch Europa reisen. Klingt simpel, ist es aber nicht. Jedes Land hat eigene Regeln, manche Züge muss man extra reservieren, und du musst herausfinden, ob der Zug überhaupt von A nach B fährt – am besten noch in fünf verschiedenen Sprachen.

Mein Blog hatte so gut wie keine Autorität (Domain Authority war irgendwo bei 2 – wenn überhaupt). Ich hatte kein Linkbuilding gemacht, war gerade erst dabei, mich in Blogverzeichnissen wie Trusted Blogs oder Blogheim anzumelden. Deshalb war klar: Ich muss mit Longtail-Keywords starten, wo die Konkurrenz kleiner ist.

Mein erster Artikel sollte über mögliche Routen mit Interrail in Italien sein. Ich wollte fünf konkrete Reisepläne vorstellen. Das Haupt-Keyword war „Interrail-Routen Italien“.

Die SERP-Analyse hat schnell gezeigt, worauf ich mich einlasse:

  • Die Konkurrenz war stark (Versuch mal die Marke Interrail zu schlagen).
  • Keiner der Artikel, die aktuell gerankt haben, war so aufgebaut, wie ich es machen wollte.

Bei jedem Keyword rund um Interrail kamen zuerst die Seiten vom offiziellen Anbieter. Danach grosse Reiseportale über Zugreisen in Europa. Und dann ein paar gut etablierte Reiseblogs, die sich voll auf Interrail spezialisiert hatten.

Alle hatten eine deutlich höhere Domain Authority als ich. Die Top-Seiten lagen irgendwo zwischen 30 und 40 – was im deutschsprachigen Raum schon ziemlich ordentlich ist. Interrail selbst hatte 66. Ich? Na ja…

Und trotzdem: Ich war überzeugt von meiner Idee. Fünf durchdachte Routen für Italien mit Interrail. Keine der bestehenden Seiten hatte das so gemacht. Aber ich wusste auch – wenn niemand aktuell für genau dieses Keyword rankt, ist es vielleicht zu speziell. Vielleicht stimmt die Suchintention nicht. Vielleicht lohnt sich der Aufwand nicht.

Was ich einem Kunden in so einem Moment geraten hätte? Vermutlich eher auf Nummer sicher zu gehen.

Aber ich bin mein eigener schlechtester Kunde – und hab’s einfach gemacht.

Am Ende war genau das der Durchbruch für meinen Blog. Und hat meine Herangehensweise an SEO komplett verändert.

Wie ein einziger Blogartikel alles verändern kann

Also hab ich angefangen zu schreiben und zu recherchieren. Ein paar Routen hatte ich schon im Kopf – aber ich wollte mehr bieten als das typische „Rom, Florenz, Mailand“.

Ich hab nach versteckten, weniger bekannten Orten gesucht, die man besuchen kann. Und dann geschaut, wie man dorthin kommt – idealerweise mit dem Zug, oder notfalls auch mit Bus oder Fähre. Ich hab Ticketpreise mit dem Interrail-Pass verglichen. Dafür hab ich unzählige Reiseblogs gelesen, Stunden auf Google Maps und Trenitalia verbracht, um passende Verbindungen zu finden. Und dann musste das Ganze noch in Worte gefasst werden.

Der Artikel wurde einer meiner längsten und aufwendigsten überhaupt. Ich hab vier Monate daran geschrieben – immer nur ein paar Stunden vor der Arbeit, abends oder am Wochenende. Veröffentlicht hab ich ihn im Januar 2021.

Und dann hat es genau einen Tag gedauert, bis Google den Artikel auf Seite 1 gebracht hat – für genau das Keyword, auf das ich optimiert hatte. Das war mein erster Beitrag, der es in die Top 10 geschafft hat.

Die Leute haben angefangen zu klicken, zu kommentieren – und plötzlich war klar: Genau so ein Beitrag hat gefehlt. Die Idee, verschiedene Interrail-Routen für Italien konkret vorzustellen, war genau das, wonach gesucht wurde – aber keiner hatte’s bisher so umgesetzt.

Was mich am meisten überrascht hat – und was meine ganze SEO-Denkweise verändert hat – war das, was danach passiert ist: Ich hab weitere Interrail-Artikel geschrieben, weil der erste so gut lief. Und jeder einzelne hat ebenfalls funktioniert.

Google hat meine Interrail-Beiträge schnell indexiert und sie kamen ohne grossen Aufwand auf Seite 1. Gleichzeitig hab ich andere Themen behandelt – Wandern, Alleinreisen usw. – aber da passierte… nichts. Die Artikel wurden ewig nicht indexiert und sind nie gut gerankt.

Mein Blog hatte sich eine Topical Authority zum Thema Interrail aufgebaut – und das sieht man bis heute.

Google hasst dich!

Wenns um SEO oder GEO geht ist das, was du nicht weisst, was gefährlich werden kann. In meinem Newsletter sorg ich dafür, dass du jeden Tag etwas mehr weisst:

Lass uns auf die Zahlen schauen

Leider kann man in der Google Search Console nicht bis zum Veröffentlichungsdatum zurückgehen – es sind nur die letzten 16 Monate einsehbar. Und ich hab mir die Zahlen damals nicht separat gespeichert.

Trotzdem zeig ich dir, wie meine Interrail-Rubrik heute läuft – zweieinhalb Jahre später. Zusätzlich hab ich gerade einen neuen Artikel veröffentlicht, in dem es darum geht, wie man das Fahrrad bei Interrail mitnehmen kann. Auch da wird spannend zu sehen, wie sich das Ganze entwickelt.

Performance des Artikels „Interrail Routen Italien“

Schauen wir uns zuerst den Artikel „Interrail Routen Italien“ an. Er bringt bis heute den Großteil meines Traffics. Im Schnitt liegt er auf Position 15,5, wenn man alle Keywords betrachtet, für die er rankt.

Für das Haupt-Keyword „Interrail Routen Italien“ liegt der Artikel im Schnitt auf Position 2,8. Vor der offiziellen Interrail-Seite war er dabei nie – klar, gegen die Marke selbst kommt man nicht an.

Obwohl ich gar nicht auf das allgemeinere Keyword „Interrail Italien“ optimiert habe, rankt der Artikel auch dafür – im Schnitt auf Position 4,9.

Hier siehst du einen Screenshot aus der Google Search Console der letzten 16 Monate für den Artikel „Interrail Routen Italien“. Man erkennt deutlich die Saisonalität: Impressions und Klicks gehen im Herbst zurück, steigen aber wieder an, sobald die nächste Reiseplanung beginnt. Die durchschnittliche Position bleibt dabei stabil.

Performance des gesamten Reiseblogs

Schauen wir uns jetzt an, wie meine Interrail-Beiträge im Vergleich zu den anderen Themen wie allgemeinem Reisen oder Wandern abschneiden. Denn mein Blog dreht sich ja nicht nur um Interrail.

Insgesamt gibt es 125 Blogartikel auf meiner Seite, davon 30 zum Thema Interrail – also rund 24 %.

Jeder dieser Artikel enthält das Wort „Interrail“ in der URL. Die neueren Beiträge liegen in einem eigenen Unterordner /interrail/, die älteren haben das Keyword im Titel, das dann automatisch zur URL wird (WordPress-Logik). Dadurch lassen sie sich in der Google Search Console gut filtern und separat analysieren.

Nicht-Interrail-ArtikelInterrail-ArtikelGesamt
Klicks (Ø pro Monat)8001.8002.600
Impressionen (Ø pro Monat)43.90073.800117.700
Artikelanzahl9530125

In der Tabelle sieht man den Vergleich zwischen Interrail- und Nicht-Interrail-Artikeln – basierend auf den durchschnittlichen monatlichen Klicks und Impressionen der letzten 16 Monate.

Fazit: Rund 70 % des gesamten Traffics kommt nur von den 30 Interrail-Artikeln.

Fazit

Mein Blog ist ein Paradebeispiel für den Pareto-Effekt – auch bekannt als 80:20-Regel. Sie besagt, dass rund 80 % des Ergebnisses aus etwa 20 % des Aufwands stammen. In meinem Fall: 24 % meiner Blogartikel drehen sich um Interrail, bringen aber 70 % der monatlichen Klicks.

Was kannst du aus dieser Fallstudie mitnehmen?

  • Manchmal lohnt es sich, etwas Neues zu probieren. Vor allem, wenn du weißt, dass es für deine Leser wirklich einen Mehrwert bietet. Nur weil deine Konkurrenz etwas auf eine bestimmte Art macht, heißt das nicht, dass du es auch so machen musst. Gerade jetzt, wo sich SEO durch KI-Content stark verändert, zählt Kreativität mehr denn je.
  • Topical Authority ist real. Es ist sinnvoller, dich auf ein Thema zu fokussieren und echte Expertise zu zeigen, statt querbeet über alles Mögliche zu schreiben. Denk bei jedem Inhalt an E-E-A-T – so kann auch deine Website zu einem Autoritätsthema werden, wie es mein Blog beim Thema Interrail geschafft hat.
  • SEO zahlt sich langfristig aus. Die meisten meiner Interrail-Seiten habe ich vor über einem Jahr geschrieben – und sie bringen noch immer regelmäßig Traffic, ganz ohne Updates. SEO kostet Zeit und Nerven, aber es lohnt sich. Gib nicht auf, nur weil die Ergebnisse nicht sofort sichtbar sind.

Ich hoffe, mein Blogbeispiel bringt dich dazu, SEO beim nächsten Mal etwas anders zu betrachten – und dich zu fragen, ob du nicht auch mal etwas ausprobieren solltest, das du vorher noch nie gemacht hast.

Es gibt keine fixen Regeln. Manchmal muss man einfach machen.


Logo Dani Leitner mit Bild

Autor: Dani Leitner


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